Donnerstag, 10. November 2005

leise leuchteten sie im Dunkeln

Zusammen reden. Sich zusammenreden. Am besten - bei uns - in abendlichen Runden durch die stillen Straßen im Licht der Gaslaternen.

Einmal hatte ich mitten in der Nacht am Fahrrad einen Platten. Zum Glück hatte es nicht geregnet oder gar geschneit, und ebenfalls zum Glück hatte ich ein funktionierendes Flickzeug mit dabei. Es muss wohl irgendwo in Charlottenburg oder Moabit gewesen sein, so fühlt es sich aus der zeitlichen Ferne jedenfalls an, jedoch in fremder Straße, und ein kurzes Innehalten und plötzliches Schauen prägte das Bild der nächtlichen Szene in meine bildliche Erinnerung ein; letzlich gut zu Hause (damals im Wedding) angekommen, wollte die bildliche Erinnerung unbedingt auf noch auf das Papier, das ich bis heute in einer Schatzkiste verwahre, dieses Bild der einsamen Stadtstraße mit dem Radfahrer, der des Nachts sein Rad repariert, und auf dem Pflaster und auf den Hauswänden die seltsamen Lichtrisse der Gaslaternen.

Und einmal, vielleicht zu meinem Geburtstag, hatte ich eine Fahrradrallye veranstaltet, quer durch Westberlin und wieder zurück, mitten im Sommer, bei Hitze und Durst, und eine der Fragen war die nach den fünfarmigen Schinkelkandelabern.

Oder einmal, auf dem Schulweg zur Waldoberschule, hatten wir herausgefunden, dass sich die Gaslaternen durch heftige Fußtritte an den Laternenpfahl ein- und ausschalten ließen, jedenfalls manchmal. Der sich natürlich ergebende Wettbewerb endete erst, als uns die Füße und Unterschenkel zu sehr weh zu tun begannen - uns, meinem Schulfreund Uwe und mir; Uwe, der im Moment des Abiturs aus meinem Leben verschwand und nicht mehr gesehen war, bis zu einem Klassentreffen vor etwa sieben Jahren, und der es "weit gebracht" hat im Leben als Werksleiter in neuen tschechischen VW-Werken, aber dessen Privatleben offenbar gerade so in Scherben lag, dass er beim Erzählen erst einsilbig, dann ganz stumm wurde und folgerichtig fünf Jahre später, beim nächsten Treffen, nicht mehr erschien.

Mit Gaslaternen bin ich aufgewachsen. In allen Straßen, die ich als Kind kannte, leuchteten sie im Dunkeln, leise und sanft vor sich hin zischend, und wenn ich Glück hatte, konnte ich sie mit einem gedämpften PLUBB zünden hören; nur die Bismarckstraße war von Anfang an elektrisch beleuchtet.

Als im Tiergarten das Gaslaternenmuseum eingerichtet wurde, im Freien, als Beleuchtung einiger Wege zwischen der Straße des siebzehnten Juli und der Tiergartenschleuse, wo Gaslaternen aus allen Städten, aus denen man solcher habhaft werden konnte, ausgestellt wurden, da ahnte ich noch nicht, dass diese Museum eines Tages auch die Berliner Gaslaternen würde aufnehmen müssen:

Das Ende einer Ära
44 000 Gaslaternen sollen durch elektrische Leuchten ersetzt werden

Textarchiv Berliner Zeitung
Datum: 19.07.2005
Ressort: Lokales
Autor: Marcel Gäding
Seite: 19

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